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geschrieben von Dr. Pichelstein

Schwer vom Fado gezeichnet gleitet das Tourauto, mehr langsam als schnell, gen Jena. „Mein Doktor, es ist alles so furchtbar“, sagt einer zum anderen. „Heute gucken alle Fußball, da kommt bestimmt kein Mensch“. Andächtige Pause, sogar das Radio schweigt. „Jaja, na mal schauen“. Selbst die Zebrastreifen werden, wie im Süden Europas üblich, als Empfehlung gesehen; Doktor Pichelstein denkt an den gerade erst vergangenen Urlaub, an Portugal und die Fußgängerinnen schimpfen wie deutsche Fußgängerinnen mittleren Alters halt schimpfen, wenn sie nicht zu ihrem Verkehrsrecht kommen. Aber das Motto des Tages, des Jahres, des Lebens lautet nun einmal: „Verzweifelt, wenn da nur Unrecht ist und keine Empörung“. Das Unrecht heißt Deutschland. Die Empörung darüber ergibt sich so von selbst. Bleiben Sie bitte eine Weile in Portugal, genießen Sie das Land und was erwartet einen zurück in Deutschland? Genau, schimpfende Fußgängerinnen mittleren Alters. Überteuerte Zigaretten, schwarz-rot-goldene Hobbyhorden, Pommes mit Majo, all das.

TRD in Portugal

Und Lothar, den Pfarrer der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte. Ein erster Lichtblick streift die Doctors. Ein Quell voller Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Lothar ahnt den Fado der Doctors. „Da stimmt was nicht, die schauen so traurig“, mag er denken. Ein Plenum wird einberufen, die Frau- und Mannschaft der JG abendlich angeheizt, feurige Brände kreisen und langsam lächelt Doktor Makarios. Lächelt auch Doktor Pichelstein. Obschon ihm eine portugiesische Doradengräte seit Tagen im Zahnfleisch steckt. Ein Umstand, gefüllt mit Schmerzmitteln. Nein, zum Zahnarzt will er nicht. Noch nicht. Aus den Boxen erklingt André Heller; ein trauriges Lied, was der Lothar da auflegt. Da ist er wieder, der Fado. Noch einen Trank, dann einen Trunk. Vor den Toren der JG läuft das Public Viewing der Europameisterschaft. Erstes Spiel. Deutschland gegen? Natürlich gegen Portugal.

Der Soundcheck ist schnell erledigt; im Schankraum wartet französisches Huhn an Kartoffeln, Erbsmöhrenbrei. Dazu wird Weißwein serviert. Herrlich. Immer näher rückt Portugal, das jüngst verlorene Paradies. Das jüngst für kurze, na gut, für etwas längere Zeit, verlassene Stück Himmel auf Erden. Meine Güte, was für ein Mahl. Und was geschieht mittlerweile draußen? Die ersten sehr bekannten Gesichter tauchen auf. Da ist der Eddi vom Majorlabel, die Anne, da sind auch noch Jahn & Marczinke und die treten jetzt auf. Zu Hofe füllt es sich. Immer mehr Menschen folgen dem Motto des Tages. Unrecht und Empörung wachsen; die Sonne geht darüber unter, der freie Himmel indessen weint überhaupt nicht.

Dann starten die Doctors mit ihrem Pratajev, dem es hier gewiss gefallen hätte. Und spielen sich in einen gefühlt nie enden wollenden Rausch. Der Fado kann so etwas, der setzt ungeahnte Kräfte frei. Und sehr dankbar ist man auf der Bühne über die kurzen Besuche vom Lothar, seinen Jungs und Damen. Denn stets hat wer ein Gläschen Brand dabei. Immer wenn das gesungene Wort „Schnaps“ auf die tobende, tosende und feiernde Menge übergeht, ist das das Zeichen. Und wer Pratajevs Texte kennt, weiß nur zu genau, dass der Dichter damit in seinen Texten nicht geizte. Und so geht es weiter und weiter, immer weiter. Bis in die allerletzte Zugabe hinein. In den Walzer der Schnapsbar. In den Himmel von Portugal. Denn die Sterne, die da oben stehen, die stehen auch über der Algarve. So weit weg kann sie also gar nicht sein.

Lieber Lothar, liebe Menschen der Jungen Gemeinde Jena. Das war wahrlich ein Fest. Ihr habt zwei kleine Doktoren sehr glücklich gemacht. Das Leben ist halt manchmal ein Sommermärchen.

Auch wir sagen DANKE für diesen wunderschönen Abend an die Herren Doktoren und natürlich auch an Oli & Martin!