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Zum Nachlesen dokumentieren wie hier die von Lothar gehaltene Andacht zum Pfarrkonvent am 6. März in Jena:

Laßt euer großes Rühmen und Trotzen, denn der Herr ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen. (1. Sam., 2, 3)

Liebe Kollegen, Kolleginnen, Schwester und Brüder

Was uns hier erreicht mit Worten, ist noch lange keine Tat, wozu uns offensichtlich der Text aufruft. Ein Losungswort für diesen Tag, 6. März im Jahr des Herrn 2013. Aber eh wir die Andacht und diese Ansprache abbrechen, um tatkräftig ans Werk zu gehen, bitte ich kurz Zeit für ein paar Erklärungen.

Denn es ist ja die Hanna, die hier spricht. Und was sie meint, ist kein Moralkodex für eine bürgerliche Lebensorientierung, nicht einmal für eine christliche Verhaltensanweisung bestehend aus Bescheidenheit, Demut, Unauffälligkeit usw. taugt dieser Spruch. Er ist eher – oder noch präziser: Sie, die Hanna, tut genau das Gegenteil davon. Regelrecht übermütig ist sie, das Haupt hoch erhoben, der Mund weit aufgetan freut sie sich – gegen ihre Feinde.

Es erstaunt immer wieder, wie deutlich und mit welcher Klarheit in der Bibel geredet wird. Welch derbe Worte gar benutzt werden, um eine Meinung deutlich zu machen. Da wird Stellung bezogen, Partei ergriffen, unterschieden in richtig und falsch, gut und böse. Mit welcher Gewissheit da geredet wird. Das macht mich regelrecht schwindlig. Denn so gut mir dieser biblische Text gefällt, so gefällig mir klare eindeutige Worte sind – in der Regel ist mein Leben vielschichtiger und mein Verhalten von so viel Grau- und Zwischentönen durchzogen, daß ich mir solch Eindeutigkeit nicht wage.

Die Hanna macht es trotzdem. Sie ist sich ihrer selbst gewiß. Wie kommt das? Was macht den Unterschied aus zu mir, zu uns? Eine Frau, noch dazu jahrelang kinderlos, also so ungefähr das schlimmste, was einem damals passieren konnte. Ein nutzloser, wertloser Mensch, überflüssig wie ein Kropf, ein zusätzlicher Esser, mitgeschleppt, notgedrungen eine Not. Und so wird sie auch behandelt, wird gedemütigt, gepeinigt, an den Rand gedrängt.

Eine hoffnungslose Situation. Eine hoffnungslose Frau. Und vielleicht, vielleicht ja macht das den Unterschied zu mir aus. Der ich noch immer auf mein Ansehen baue, meine Fähigkeiten und meine Gaben, meine Redegewandtheit, meine Bekanntheit – ach, es ist so vieles, auf was mir Menschen uns etwas einbilden. Und mit dem wir hoffen, so einigermaßen durch das Leben zu kommen.

Vielleicht muß mir diese Einbildung in die eigene Kraft und Fähigkeit genommen werden. Vielleicht muß es mir erst gehen wie dieser Mißgeburt bei Jesaja, die ohne Gestalt und Hoheit nicht gemocht worden ist, die nicht gut aussieht, die nicht gefallen hat. Vielleicht muß es mir erst rotzdreckig gehen, daß ich diesen Gott begreifen kann. Vielleicht muß es mir wie der Hanna gehen, daß ich Glauben kann.

Denn bei aller Erniedrigung, die ihr widerfährt, bei aller Depression und bei all ihren Tränen und bei allem, was man ihr genommen hat: Ihren Glauben hat sie sich nicht nehmen lassen an diesen parteiischen Gott, der Partei ergreift für die Schwachen gegen die Starken, für die Hungrigen gegen die Satten, für die Armen gegen die Reichen.

Und so greift der Himmel ein, nicht immer, aber immer wieder, ein Wunder geschieht, der Hanna wird ein Kind geboren, dem Elia wird ein Weg gezeigt, dem Tod wird der Stachel gezogen. Und eine Lebens-Freude erfüllt Herzen und Sinne, die größer ist als alle Angst vor Menschen und bösen Mächten, zuletzt oder vielleicht gar zuerst, vor mir selbst. Keine Angst mehr, wenn ich diesem jüdisch-christlichen Gott glaube, diesem parteiischen Gott. Und in diesem Sinn laßt uns tatkräftig ans Werk gehen, heute, am 6. März und aller Tage. Amen.