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Am Wochenende vom 08.04. bis 10.04. waren wir mit einer Gruppe in Dachau. Wir wurden von Björn Mensing, dem Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirche auf der Gedenkstätte des KZ Dachau eingeladen. Wir als Gruppe, aber genauer Lothar um eine Predigt zu halten. Eine Predigt zur Erinnerung an die „Opfer von Neonazis in der Zeit des wiedervereinigten Deutschlands“. Zum Todestag der Widerstandskämpfer Georg Elser und Dietrich Bonhoeffer, die am 9. April 1945 in Dachau und Flossenbürg ermordet wurden, namentlich an drei Opfer von Neonazis im wiedervereinigten Deutschland erinnert: Jorge Gomondai aus Mosambik, der vor 25 Jahren in Dresden zum Sprung aus der fahrenden Straßenbahn gezwungen wurde und am 6. April 1991 seinen Verletzungen erlag, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat, die vor zehn Jahren, am 4. und am 6. April 2006 mutmaßlich vom NSU in Dortmund und Kassel erschossen wurden.

Und so begaben wir uns am Freitag auf den Weg von Jena nach Dachau, um bereits vorher etwas mitzubekommen; den Freiraum, ein selbstverwaltetes linkes Zentrum, zu besuchen und sich auszutauschen – und auch mal wieder einem Funkkonzert zu lauschen. Und um natürlich auch von Pfarrer Mensing über die KZ Gedenkstätte geführt zu werden. Eine Führung voller Erzählungen, welche wir nach 3 Stunden fast abbrechen mussten. Weil es zuviele Geschichten waren und die Geschichte vor Ort schon kaum greifbar war. Doch wir haben viel mitgenommen, über den Umgang der Stadt Dachau mit dem KZ, was sie im Nationalsozialismus erst eingemeinden ließen. Über streitbare Geister in der Erinnerungsarbeit. Aber auch über die kleinen, meist vergessenen Geschichten von Gefangenen des KZ Dachau. Und nach Stunden voller Gespräche sind wir dann auch schon am Sonntag angelangt. Ein kleiner Raum fast unterirdisch versteckt unter der Erdoberfläche der Gedenkstätte. Ein Raum gefüllt mit 40 Menschen von der evangelischen & katholischen Kirche, der liberalen jüdischen Gemeinde aus München und der muslimischen Gemeinde aus München. Und mittendrin wir. Mit Texten und Psalmen aus der Bibel und einer (vielleicht etwas zu langen) Predigt während des Gottesdienstes. Diese Predigt nun könnt ihr hier nachlesen.

Predigt Dachau

Versöhnungskirche KZ Dachau, 10. April 2016

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus, Amen.

Liebe Gemeinde, so rede ich Euch mal an, was ja erst einmal nichts weiter bedeutet als: Liebe Versammelte, hier aus Dachau, und ich begrüße neben  evangelischen auch katholische GemeindeGlieder, daß wir endlich – unsere Unterschiede nicht aufgeben (das macht uns nur interessanter) – das Trennende aber unserm gemeinsamen Herrn Jesus Christus unterordnen, gemeinsam Gottesdienst feiern und einmal auch Abendmahl feiern. Es wird Zeit. Und ich freu mich besonders, Vertreter der Liberalen Jüdischen Gemeinde und der muslimischen Gemeinde aus München begrüßen zu können.

So sind wir hier zusammengekommen, aus Dachau und der Umgebung – und ein paar Leute aus Jena, weit angereist – darunter ich, eine Rede zu halten oder auch eine Predigt zu den Verbrechen, die geschehen, damals, hier in Dachau, aber auch seitdem, hier in unserem Land.

So wurde ich angefragt – ich hab mich für letzteres entschieden. Wobei, je näher der Tag kam, ich um so unsicherer wurde, ja geradezu anmaßend kam ich mir vor: Was denn hab ich zu sagen, der ich das erste Mal in Dachau bin. Und so bin ich froh, schon am Freitag angekommen zu sein, etwas von diesem Ort zu spüren, vor allem aber erst einmal zu hören und zu verstehen: von diesem KZ, seiner Geschichte und dem Schrecken, welcher von ihm ausging, und in den Gesprächen und Begegnungen zu hören, was von diesem Ort noch ausgeht. Was sich gewandelt hat und was geblieben. Um Anteilnahme zu empfinden. Denn eines bin ich mir gewiß: Das Alte ist nicht vergangen – jeder Schmerz, der hier gelitten, jede Träne, die irgendwo im Boden versank, hat sich eingenistet in unserer gemeinsamen Erfahrung – als eine böse Warnung für die Nachkommenden „Vorsicht, wenn du eine eigene Meinung vertrittst!“, als eine Drohung für die Lebenden: „Paß auf, wenn  du,  und vor allem, wen du kritisierst!“ Aber auch jede noch so hilflose Geste menschlicher Solidarität wirkt weiter. Die Frage ist: Was überwiegt von beidem?

Und so bin ich froh, gestern von Björn (Mensing) auf unserer Führung durch das ehemalige KZ Dachau, neben dreieinhalb Stunden Schrecken auch von Karl Wagner zu hören, Kommunist, der, von einem SS-Aufseher aufgefordert, einen sowjetischen Kriegsgefangenen auf dem gefürchteten Prügelbock zu bestrafen, diese Erniedrigung verweigert. Das ist sein Todesurteil, der SS-Scherge zieht die Pistole, befiehlt noch einmal, eine letzte Chance. Er verweigert wieder.

Ja, auch das hat es hier in der Hölle von Dachau gegeben, menschliche Stärke, größer als jede Todesangst. Das kommt mir einem Wunder gleich. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, ob ich diese menschliche Stärke habe. Aber ich weiß jetzt, daß ein Mensch diese hatte. Ein Vorbild für mich, für uns heute.

Bei uns zu Hause, nebenan in Weimar, beginnen morgen die Gedenk-veranstaltungen anläßlich der Befreiung des KZ Buchenwalds. Es ist der 71. Jahrestag. Nicht viele Überlebende gibt es mehr, die diese Befreiung erlebt haben. Die Bürger von Weimar haben sich 1945 wohl nicht als Befreite gesehen. Der kommandierende amerikanische Befehlshaber ließ sie jedenfalls antreten, das befreite, doch voller Grauen noch zeugende KZ Buchenwald zu sehen; mit eigenen Augen zu sehen, was die Nazis in ihrem Namen, im Namen des deutschen Volkes angerichtet haben.

Welche Resonanz diese Begehung hatte, weiß ich nicht. Ich habe bis heute keinen Bericht darüber gefunden, keinen Augenzeugen kennengelernt, kein Schulbuch davon berichten hören. Ich weiß nur, daß nach 40 Jahren staatlich verordnetem Antifaschismus – die Nazis waren alle im „Westen“-, ich weiß nur, daß nach 40 Jahren DDR und nach 25 Jahren Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten ich wieder suchen muß nach Leuten, die sich öffentlich als Antifaschisten bekennen und dieses auch sind.

Ich weiß und kenne auch die anderen, die alten und neuen Neonazis, die besorgten Bürger, den Mob auf der Straße, wie sie hetzen und verachten, Angst schüren hier und Flüchtlingsheime brennen dort. Und wir kennen die seltsame Nachsicht unserer Politiker und Verantwortungsträger gegenüber diesen Scharlatanen, das Schielen auf Wahlergebnisse und Stimmenfang, diese Sucht nach Lob und Anerkennung – sie kommen mir vor wie Blätter im Wind, scheinbar hilflos den windigen Stimmungen des Volkes ausgesetzt.

Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland in einer merkwürdigen Vergeß-lichkeit. Wenn ich mir mein alltägliches Leben ansehe, dann hab ich  manchmal den Eindruck, wir Deutschen haben scheinbar den letzten Krieg gewonnen und nicht verloren. Nicht die Häftlinge in den KZ-Vernichtungslager, sondern unsere deutschen Eltern und Großeltern wurden von Terrorherrschaft befreit. Lauter Opfer, faktisch keine Täter.

Diese furchtbare Vergeßlichkeit, dieses Verdrängen von Tatsachen, dieses Umdrehen von Fakten ist schwer zu ertragen. Es ist für mich die Haupt-ursache für unsere Unfähigkeit, mit den Problemen der Gegenwart umzugehen. In der DDR erhalten sämtliche Bürger den Persilschein des Antifaschisten, unter dem der braune Sumpf prächtig aus- und durchhalten kann. Auf der anderen Seite, in der Adenauer-Republik, übernehmen alte Nazigrößen auf fast allen Gebieten von Politik, Justiz, Wirtschaft das Kommando, und, welch ein Hohn, nun auch noch demokratisch legitimiert.

Das Fazit ist verheerend: als lohnend erweist sich das Wegsehen; das Mitmachen etabliert sich als vorteilhaft; bestraft dagegen wird der Widerstand: als Häftling erst in einem KZ-Lager, als Überlebende haftet der Makel des „Verurteilten“ an, sofern die betreffende Person nicht an und für sich schon verdächtig ist: als Jude, Zigeuner, Schwuler, „Neger“ oder gar als „Linker“. Dieser Tage kommt noch eine Menschengruppe hinzu: der Flüchtling.

Sind das unsere spezifisch deutschen Zustände? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, sie sind es auf alle Fälle auch. Gegebenheit und Realität in unserem Land, in meinem Alltag. 2015 fanden durchschnittlich jeden Tag mehr als  zweieinhalb Angriffe auf Flüchtlings-Unterkünfte statt. Da sind die Angriffe auf Personen, die Beleidigungen, Herabwürdigungen, Unterstellungen noch nicht einmal mitgezählt. Jeden Tag Angst, Schrecken, Terror. Hier bei uns, in unserem Land, in Thüringen ebenso wie in Bayern, allein Sachsen hebt sich ab – dies Bundesland liegt schier uneinholbar an der Spitze fremdenfeindlicher Übergriffe. Und ich frage mich: Was ist denn mit uns los?Haben wir denn alles vergessen, was Menschlichkeit, Barmherzigkeit, Anteilnahme bedeutet? Es wird viel über ein „Flüchtlingsproblem“ diskutiert, über Zahlen und Abschiebungen. Über die Frage der Menschlichkeit jener, die Flüchtlinge ablehnen oder gar abschießen wollen, höre ich wenig.

Liebe Gemeinde,

Wir sind hier auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau. Die Stiftung der Gedenkstätte hat sich zum Ziel gesetzt – ich les dies wortwörtlich aus dem Stiftungsprogramm, weil mich Zielsetzung und Wortwahl beeindruckt haben:

  • die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus,
  • als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer
  • und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten,
  • sowie die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wachgehalten und weitergetragen wird“.

Besser kann wohl Anliegen und Ziel kaum mehr formuliert werden. Und inmitten der Gedenkstätte und ihres Zieles feiern wir Gottesdienst in dieser Kirche mit dem programmatischen Namen Versöhnungskirche. Ausgangspunkt und Mitte jeder Versöhnung aber ist Erinnerung. Erinnerung an das Leiden der Geschundenen, Entrechteten, Gefolterten, an die Gemordeten. Die Erinnerung ist die Voraussetzung für das Erkennen, und aus  Erkennen wächst die Kraft für Verantwortung. Damit wir Lebenden Verantwortung übernehmen für das geschehene Leid an den Toten. Diesen gilt die Versöhnung, nicht den Tätern.

Wir gedenken heute 5 der Geschändeten und Gemordeten, ihrer Angst und ihrer Pein, ihrer Einsamkeit und ihrer Depressionen, ihrer Gottverlassenheit. 5 Tote aus 60/70 Jahren deutscher Geschichte. Was haben diese Toten gemein, außer, daß sie in diesem Land gelebt und jeweils im April ermordet wurden: ein Kommunist, ein Christ, ein Afrikaner, ein kurdischer Alewit, ein türkischer Muslim? Das hervorstechende Gemeinsame liegt nicht in ihrer Person oder Religion oder Einstellung. Das Gemeinsame liegt im Verhalten der Anderen zu ihrem Leben und ihrer Geschichte. Und zu ihrem Sterben und ihrem Tod.

Ich möchte diesen fünf ein Wort aus der Bibel widmen, aus dem Jesaja-Buch im 26. Kapitel, Vers 13 und möchte die 5 Gemordeten mit hineinnehmen in unsere Menschheitsgeschichte, bis hin zu Jesaja, bis zu allem Anfang und bis heute.

„HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du,                  aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens.“ Jes. 26,13

Ich muß gestehen, daß ich auf dieses Wort nicht allein gekommen bin. Es steht auf dem Grabstein von Ernst Käsemann, Neutestamentler, Professor für Theologie, in den 60er-und 70er-Jahren für Generationen von Theologen Vorbild für eine streitbare Kirche, für eine parteiische Kirche, die im Namen des geschundenen Nazareners Partei ergreift für die Entrechteten.

Hinter dem, was sich so glatt anhört, steht eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der mörderischen Realität unserer Welt. Wo sich Menschen aufschwingen zu Herren und über Leben und Tod von anderen bestimmen. Wo die einen privilegiert werden und die anderen verhungern. Wo die einen zu Sklaven ihrer Angst werden. Und die anderen? Wir? Wo kann ich sein, zu wem gehöre ich?

Das ist Ernst Käsemanns Thema sein Leben lang, im Namen des Gekreuzigten und im Gehorsam zum ersten Gebot Partei ergreifen für die Erniedrigten und Entrechteten. 1938 predigt er  über diesen Jesaja-Text. Es ist die Hoch-Zeit der Nazis, praktisch haben sie das ganze Land in ihrer Hand, Widerstand zwecklos, sinnlos, tödlich. Mit welchen Mitteln, haben wir hier in Dachau nur all zu genau erfahren. Und genau in diese Zeit, in unsere Zeit hinein, zielt dieser Text: „Herr..“ —

NEIN: nicht „Herr“ – so hat Martin Luther übersetzt -, „Jahwe“ muß es heißen, denn ein bestimmter Gott ist gemeint, der des 1. Gebotes, der da seine Stimme erhebt und sagt: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Sklaverei geführt hat. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“.

Kein anderer Gott: kein Angst-, kein Geld-, kein Macht-, kein Herren-Gott. Ein befreiender, ein frei-machender Gott meldet sich zu Wort, erhebt Anspruch, erhebt Widerspruch, spricht sein ICH in unsere Welt. Und dieses Jesaja-Wort, zweieinhalbtausend Jahre alt, erinnert daran, wie es in unserer Welt aussieht, wie es darin zugeht. Böse geht es zu, mörderisch und tödlich für die Einen, und voller Angst für die Anderen, voller Anpassung und Ducken und Schweigen.

Daran erinnert dieses Wort: Jahwe, unser Gott: Ja, wir wissen wie es in dieser Welt zugeht. Wir sind darauf eingestellt, vorbereitet. Wir sind nicht naiv, versuchen nicht oberflächlich dahinzuleben (das ist für die Betroffenen oft schlimmer als das NICHT-Wissen). Und wir wissen auch, wie es gemacht wird.

Björn (Mensing) hat uns gestern eindrücklich auf dem KZ_Gelände geschildert, wie man das macht: Am Anfang: Massenverhaftungen. (Die Liste der mißliebigen Personen lag längst vor, angefertigt von der Politischen Polizei aus der Zeit der Weimarer Republik – die Nazis konnten sie bestens nutzen.) Und dann ging es Schlag auf Schlag. Wortwörtlich: Spießrutenlauf hieß das früher, jetzt handfeste Knüppel am Eingang des Tores. Halbtot ging es in die erste Halle, die persönlichen Erinnerungen, Fotos, Eheringe abgeben, im zweiten Raum entkleiden, nackt im dritten Saal sämtliche Haare rasieren, zuletzt wird mir der Name genommen, aus mir wird eine Nummer gemacht.

Es ist die Hölle: „Die ihr eintretet, laßt alle Hoffnung fahren dahin!“ (Dante Allighieri). Das Mittel ist die völlige Entwürdigung und Entrechtung der Gefangenen. Das Ziel ist  Einschüchterung der Masse der Bevölkerung. Ja, so wird das gemacht. So ist die Realität.

Ja, wir wissen. Es herrschen andere Herren über uns als du. Aber wir erinnern uns an dein Wort, an deine Welt und wie sie sein soll, wie sie gedacht ist von Beginn her und von allem Anfang an.

…und eine schier unstillbare Sehnsucht, tief in mir geborgen, manchmal regelrecht verborgen, wacht in mir auf, rührt und rappelt sich, macht sich breit, wird groß und stark, füllt mich, erfüllt mein Leben, wird stärker als alle Angst. Ich bin mir sicher, wir alle kennen diese Lust auf Leben, diese Lebendigkeit, diese tiefe Freude in mir, in uns.

Und all die Widrigkeiten werden klein und unbedeutend. Nur eines, bitte,  vergessen wir nicht. Wir vergessen nicht die, die auf „der Strecke geblieben sind“. Wir erinnern uns derer, die vor uns Stellung bezogen haben, geben Ihnen Namen und Geschichte: Georg Elser, Mitglied im Roten Front-kämpferbund, Kommunist, Mensch, der mit politischer Klarsicht sich entscheidet, Hitler, Göring, Goebbels, die gesamte Führungsriege des Dritten Reiches, im Alleingang zu beseitigen. Das Attentat scheitert. Es gibt keine Garantie für das Gelingen. Gestern früh vor 71 Jahren ist er hier in Dachau erschossen worden

Wir erinnern an Dietrich Bonhoeffer, der sich auf höchst moralischer Ebene mit der Frage auseinandersetzt „Darf ich einen Menschen töten?“ NEIN, darf ich nicht. Es gibt aus Sicht des christlichen Glaubens keine Rechtfertigung, einen Menschen zu töten, auch einen Adolf Hitler nicht. Und Dietrich Bonhoeffer entscheidet sich für die Tat. wissend, daß er höchste Schuld auf sich lädt. Auch dieses Attentat mißlingt. Auch er wird am 09. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet. Dabei hätten wir Ihn in der Kirche dringend gebraucht mit seinen weitsichtigen Gedanken zu Sinn und Aufgabe der Kirche in der Welt, der Kirche für Andere. So aber wird Dietrich Bonheoffer zum evangelischen Nationalheiligen erhoben, hinter dem das fast vollständige Versagen der evangelischen Kirche im Dritten Reich kaschiert wird.

Wir erinnern an diese zwei Toten, die wußten, was sie taten. Und ich kann nur hoffen, diese Erinnerung trägt bei, daß möglichst nie wieder Menschen  vor solch einer Entscheidung stehen, einen Menschen um der Menschlichkeit willen töten zu müssen.

Wir erinnern aber auch an Jorge Gomondai, am 06. April 1991 von einer Horde Neonazis aus der Straßenbahn gedrängt/geworfen und verblutet;  an Mehmed Kubasik, von zwei Kopfschüssen getötet am 04. April 2006 in Dortmund,  an Halil Yosgat, erschossen am 06. April 2006 in Kassel.

Welch sinnlosen Morde! Weil Neonazis Anfang der 90er Jahr auf Menschenjagd gehen, muß der ehemalige Vertragsarbeiter aus Mosambique Jorge Gomondai sterben? Weil zwei junge Menschen aus Jena irgendeinen vermeintlichen „Sinn“ darin sehen, Menschen türkischer Abstammung zu erschießen, müssen die zwei in Dortmund und Kassel sterben?

„Erinnerung wird zur Kraft der Gegenwart“ – ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer. Ja, wir erinnern an diese sinnlos Gemordeten. Denn es liegt an uns, es ist unsere Aufgabe, der Sinnlosigkeit zu widerstehen, der herrschenden Fremdenfeindlichkeit Einhalt zu gebieten.

Und so erstarren wir nicht angesichts von Brutalität und Menschenverachtung.  Wir  gewinnen vielmehr Kraft aus der Erinnerung und lassen unsere Sehnsucht nicht.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.