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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

vor einigen Tagen haben Sie dem sächsischen Ministerpräsidenten einen offenen Brief geschrieben. Sie schrieben von den Fragen, die viele Bürgerinnen und Bürger Ihrer Stadt umtreiben.

Zehntausende engagieren sich friedlich und entschlossen gegen einen rechtsextremen Aufmarsch in Dresden. Warum werden deshalb vom Freistaat Sachsen eine Million Handydaten erfasst? Unter diesen Zehntausenden war auch Jugendpfarrer König. Warum werden deshalb vom Freistaat Sachsen mit 34 Einsatzbeamten seine Räume in Jena durchsucht?

Der Freistaat Sachsen will, und das ist auch aus unserer Sicht richtig und erforderlich, begangene Straftaten konsequent aufklären. Nicht die Strafverfolgung, aber die politische Begleitmusik der sächsischen Staatsregierung sorgt jedoch dafür, dass viele Menschen in Sachsen, in Thüringen und in anderen Bundesländern Zweifel an der Angemessenheit dieses Handelns haben.

Nach der Sondersitzung des Rechtsausschusses des sächsischen Landtages am 23. August würden wir Ihnen gern Antworten auf die Fragen geben, die von den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Stadt gestellt werden.  Antworten, die geeignet sind, die Zweifel zu zerstreuen. Das ist notwendig. Denn die sächsische Staatsregierung erachtet es nicht als notwendig, ihrerseits zu antworten. Dem „Gebot der Gewaltenteilung“ folgend hat Ihnen unser Ministerpräsident eine Antwort des sächsischen Generalstaatsanwalts zugedacht. Der erste Bürger einer Stadt wendet sich an den ersten Bürger eines Landes, um in einen politischen Austausch zu treten. Und erhält eine strafprozessuale Informationsschrift zur Antwort. Unsere Staatsregierung wird sich für diese Missachtung nicht entschuldigen. Wir tun es hiermit.

Im Ausschuss erklärte der sächsische Justizminister auf die Frage, ob es noch eine richtige Antwort geben werde: „Nein. Die Staatsregierung beantwortet offene Briefe grundsätzlich nicht. Denn den Schreibern offener Briefe geht es nicht um eine Antwort, sondern nur um ein plakatives Vortragen der eigenen Meinung.“ Auch dafür entschuldigen wir uns. Viele Bürger des Freistaates Sachsen haben, das versichern wir Ihnen, andere Ansichten und mehr Anstand.

Nach der Sitzung des Ausschusses würden wir Ihnen gern verlässliche Antworten geben. Wir würden Ihnen gern versichern, dass die Verhältnismäßigkeit der Funkzellenabfrage von den zuständigen Stellen sorgfältig abgewogen wurde. Das können wir nicht. Denn es gibt nirgendwo eine schriftlich niedergelegte Abwägung. Der entsprechende Beschluss des Amtsgerichts wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft bereits auf dem Briefbogen des Amtsgerichts vorformuliert. Der Richter musste den Beschluss nur noch unterschreiben.

Wir würden Ihnen gern versichern, dass weder die Handygespräche von Pfarrer König noch die von anderen Personen von den zuständigen Behörden abgehört worden sind. Das können wir nicht. Denn uns wurde mitgeteilt, dass zumindest in einem Fall sorgsam vor dem 13. Februar 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet wurde, damit danach eine strafprozessuale Maßnahme durchgeführt werden konnte.

Wir würden Ihnen gern zeigen, dass die sächsische Staatsregierung in ihrem Reden und Handeln klar zu trennen weiß zwischen Personen, die im Umfeld des 19. Februar gewaltsame Auseinandersetzungen gesucht haben und Personen, die sich friedlich und mit ziviler Courage für unsere rechtsstaatliche Demokratie engagieren. Wir würden Ihnen gern versichern, dass die sächsische Staatsregierung das friedliche Engagement willkommen heißt, dass sie ein verlässlicher und unterstützender Partner für die vielen Menschen und Initiativen ist, die sich für die Demokratie stark machen. Und dass sie alles in ihren Möglichkeiten stehende unternehmen wird, um die entstandene Verunsicherung vieler Bürger aus der Welt zu schaffen.  Unmissverständlich und offen. Wir können das nicht.

Der Presse haben wir entnommen, dass der sächsische Ministerpräsident kein Interesse an Ihrer Einladung nach Jena hat. Alles andere hätte uns – positiv – überrascht. Im Namen vieler möchten wir uns bei Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern von Jena für ihre Hilfe und Unterstützung bedanken. Und wir bitten Sie herzlich, Ihre Solidarität und Ihr Engagement beizubehalten – für die Menschen im Freistaat Sachsen.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Dulig MdL und Sabine Friedel MdL