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Wir haben gestern einen der Hauptpreise des Thüringer Demokratiepreises für den Erinnerungsort in der Johannisstraße verliehen bekommen. Hier unsere Rede, die wir gestern gerne gehalten hätten:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen, liebe Leute,

wir möchten uns im Namen der JG-Stadtmitte bedanken, dass wir heute hier den Thüringer Demokratiepreis erhalten haben. Wir haben ihn für den von uns in Jena errichteten Erinnerungsort für die Opfer des aus Thüringen stammenden Nationalsozialistischen Untergrund und die seit der Errichtung kontinuierlich stattfindenden Gedenkveranstaltungen bekommen. Der Erinnerungsort ist (wie auch schon angeklungen ist) eine Holzskulptur, die wir gemeinsam mit dem Holzbildhauer Thomas Kretzschmar im Jahr 2018 begonnen haben, zu errichten. In ihr sind die Namen und Todestage der vom NSU ermordeten Menschen eingeschnitzt:

Enver Şimşek 9. September 2000 Nürnberg

Abdurrahim Özüdoğru   13. Juni 2001 Nürnberg

Süleyman Taşköprü 27. Juni 2001 Hamburg

Habil Kılıç 29. August 2001 München

Mehmet Turgut 25. Februar 2004 Rostock

İsmail Yaşar 9. Juni 2005 Nürnberg

Theodoros Boulgarides 15. Juni 2005 München

Mehmet Kubaşık 4. April 2006 Dortmund

Halit Yozgat 06. April Kassel

Michéle Kiesewetter 25. April 2007 Heilbronn

Wir nehmen den Preis aber auch stellvertretend für das Engagement der vielen Menschen der JG-Stadtmitte entgegen, die seit dem Jahr 2011 in unterschiedlichsten Formen an der Aufarbeitung des NSU-Komplexes mitgewirkt haben. Sei es mit Recherche, Veranstaltungen, Straßenumbenennungen, einer Ausstellung, Kontaktaufnahme zu Angehörigen der Mordopfer und Betroffenen des NSU-Terrors, der Begleitung des NSU-Prozesses in München und der Untersuchungsausschüsse in Erfurt und und und …
Ebenso stellvertretend für antifaschistische Menschen aus der JG-Stadtmitte aber auch woanders her, die uns ihre teils schrecklichen Erlebnisse und Geschichten der 90er Jahre erzählten. Danke für den Kampf, den ihr bereits in den 90er Jahren geführt habt.

Wir kommen aus Jena. Aus der Stadt, in der sich der NSU politisch sozialisierte. Aus der Stadt, die in den 90er Jahren nichts hören wollte von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus. Die der JG-Stadtmitte, Lothar König und seinen Mitstreiter*innen Vorwürfe machte, anstelle Konsequenzen gegen rechts zu ziehen. Aus der Stadt, die – unserer Meinung nach – bis heute ihrer Verantwortung in Bezug auf Erinnerung an und Aufarbeitung des NSU-Komplexes nicht gerecht wird. Aber auch aus der Stadt, in der es – im Vergleich zu anderen Thüringer Städten – einen hohen gesellschaftlichen Widerstand gegen rechte Aufmärsche, antisemitische Positionen und rassistische Übergriffe gibt.

Angesichts der Morde des NSU, angesichts tausender Übergriffe bundesweit auf Geflüchtete, People of Colour und ihre Unterkünfte in den vergangenen Jahren, angesichts des Mordes an Walter Lübcke, des antisemitischen Terrors in Halle … ist es notwendiger denn je, sich gegen die eskalierende rechte Alltagskultur zu stellen, ihr auf allen Ebenen entgegenzutreten, ihren Akteuren öffentliche Räume zu nehmen, sie zu ächten, anstelle sie weiter zu normalisieren. Wir wünschen, uns, dass wir alle dagegen zusammenhalten. Für eine offene und freie Gesellschaft, in der man ohne Angst verschieden sein kann. 

Alle zusammen gegen den Faschismus!

Dankeschön.