JG Logo

Dieser Redebeitrag wurde am 29. August 2018 bei einer Gedenkveranstaltung zum Todestag von Habil Kılıç von den Jusos Jena gehalten.

 

Liebe Mitmenschen,

wir stehen heute hier, um einem Menschen zu gedenken. Dieser Mensch hieß Habil Kılıç und wurde am 29. August 2001, also vor 17 Jahren, in München erschossen. Er wurde erschossen von Menschen, die rassistisch handelten. Die Tatsache, dass Habil Kılıç nicht in Deutschland geboren wurde, war für die Mörder ein Grund ihn zu ermorden.

Aus der Überzeugen heraus, dass Rassismus falsch ist und dagegen gekämpft werden muss, stehen wir hier und gedenken. Denn durch das Gedenken zeigen wir Respekt gegenüber Habil Kılıç. Wir zeigen Solidarität und Anteilnahme mit seinen Angehörigen und Hinterbliebenen. Respekt möchten wir auch den anderen Opfern des NSU erweisen. Solidarität und Anteilnahme möchten wir auch deren Angehörigen und Hinterbliebenen zeigen. Denn Habil Kılıç ist eins der Opfer einer Mordserie, deren Täter, der NSU, durch Hass, Rassismus und die nationalsozialistische Ideologie angetrieben wurden.

Der NSU hat seine Ursprünge in Jena. Deshalb liegt es in der Verantwortung der Menschen dieser Stadt eine Erinnerung und Erinnerungskultur für die Opfer des NSU zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Wir werden nicht vergeben was geschehen ist, wir werden nicht vergessen. Dadurch schaffen wir eine Situation, welche es nicht möglich machen soll, dass sowas nochmal geschieht. Doch leider müssen wir einsehen, dass es bis dahin noch ein weiter Weg sein wird.

Wir erleben rassistische Aussagen, von Menschen, welche hohe politische Ämter innehaben. Wir erleben wie Neonazis auf offener Straße Jagd auf Menschen machen, die einen Migrationshintergrund haben. Wir erleben, dass die Staatsgewalt derartige Situationen nicht unter Kontrolle hat. Wir erleben Rassismus tagtäglich in seiner reinsten Form und gleichzeitig in einer versteckten. Und dagegen muss die Zivilgesellschaft, müssen wir uns zusammentun und stark sein. Gemeinsam können wir gegen den Rassismus kämpfen.

Ein wichtiger Punkt im Kampf gegen Rassismus ist die Aufklärung. Und zwar die lückenlose Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten. Dazu gehört die lückenlose Aufklärung der Verbrechen des NSU. Rechte Netzwerke, die Rolle und das Versagen des Verfassungsschutzes, Ungereimtheiten und Akten die für lange Zeit unter Verschluss stehen. All das ist nicht aufgeklärt. Der Gerichtsprozess und das am 11. Juli gesprochene Urteil lassen viele Hintergründe und Kausalitäten im Dunkeln. Eine weitere Aufklärung heißt, dass wir in den Medien nicht mehr von „dem NSU-Prozess“, sondern von „dem ersten NSU-Prozess“ sprechen. Das bedeutet, dass all diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die den NSU unterstützen, Taten, Beweise, Hinweise und Ermittlungsfehler vertuschten, Mitwisser waren oder Taten die sie hätten verhindern können, geschehen ließen.

Allein aus Respekt den Opfern gegenüber, müssen die Zusammenhänge und alle Unterstützer*innen des NSU ermittelt werden. Doch auch um so die rechten Netzwerke und Strukturen, Methoden und Pläne aufzudecken ist die weitere und lückenlose Aufklärung notwendig. Denn nur so können weitere rassistisch motivierte Übergriffe, Morde und weitere Grausamkeiten verhindert werden. Deshalb stehen wir heute auch hier und fordern: lückenlose Aufklärung, Freigabe der Akten und Prävention!

Wir werden nicht aufgeben. Wir wollen Rassismus und Nationalsozialismus keinen Platz lassen, nirgends auf der Welt!

Bei all dem Politischem, dem langen Gerichtsprozess gegen Täter*innen des NSU und den hitzigen Debatten dürfen wir jedoch eins nicht vergessen: Habil Kılıç war ein Mensch. Ein Leben, welches aus Hass heraus ausgelöscht wurde. Habil Kılıç wäre heute 55 Jahre alt. Darum richten wir heute unsere Gedanken, Gebete, unser Mitgefühl und das Versprechen jederzeit gegen Fremdenhass und Rassismus und für die Aufklärung einzustehen an ihn, die anderen Opfer des NSU und alle Betroffenen und Hinterbliebenen.

Nun stehen wir hier zusammen. Lasst uns gedenken, erinnern. Lasst uns zusammenhalten. Denn wir werden niemals vergessen. Wir werden niemals vergeben was geschehen ist.