Anlässlich der Razzia bei Lothar König fand am Mittwoch, dem 10.08.2011 eine Spontankundgebung und Demonstration in Jena statt, an welcher sich laut Presseberichten bis zu 600 Menschen beteiligten. Für diese Kundgebung hatte Lothar aus seinem Urlaub in Südtirol einen Gruß und kleinen Text geschickt, den wir hier (leider verspätet) veröffentlichen:
Hallo Leute,
Allem voran ein Dankeschön, dass ihr gekommen seid. Das ist nicht selbstverständlich. Schon garnicht mitten in der Urlaubszeit. So sind viele, die jetzt hier sein würden, nicht dabei, weil sie sich weitab von Jena befinden. Ich selber auch.
Als ich am Mittwoch früh Punkt 06.00 Uhr von einem Telefonanruf in Südtirol geweckt worden bin und mir mitgeteilt wurde, ich möchte die Wohnungstür zwecks Durchsuchung öffnen, ansonsten würden sich die vor der Tür stehenden Beamten gewaltsam Eintritt verschaffen, dachte ich noch einen bösen Scherz.
Doch dem Beamten war nicht nach Scherzen zumute. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mich nach §129, es besteht der Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Ist damit die JG gemeint? Wie in den 50iger Jahren, als diese Vorwürfe schon einmal erhoben worden
waren und böse Folgen für die Betroffenen hatten? Sind wir dort wieder angelangt? Gott sei Dank: Nein!
Paragraph 129 ist weiterhin ein reiner Ermittlungsparagraph. Er versetzt Staatsanwaltschaft, wie Polizei in die Lage, rechtlich abgesichert alle technisch möglichen Maßnahmen gegen verdächtige Personen durchzuführen, insbesondere das Abhören von Telefonaten und Wanzen zu installieren; verdeckte Ermittlungen nennt man das.
Die Durchsuchung der Wohnung stellt darin noch eine harmlose Vorgehensweise dar.
Was ist der Hintergrund?
Die Staatsanwaltschaft Dresden vermutet, dass hinter dem Protest von zehntausenden von Menschen gegen die Naziaufmärsche in Dresden eine kriminelle Vereinigung stehen muss.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Der massenhafte Protest gegen Neonazis soll das Verbrechen einer kriminellen Vereinigung darstellen.
Dieses Verständnis der Dresdner Staatsanwaltschaft hat der SPIEGEL vorletzte Woche in einem größeren Artikel angeprangert und darüber hinaus gefragt, inwieweit das Land Sachsen noch auf dem Boden des Grundgesetztes steht. Die abstrusen Vorwürfe gegen einen Pfarrer dienten als Einleitung für den Artikel. Eine Woche später hat dieser Pfarrer eine Wohnungsdurchsuchung am Hals.
Ein Schelm, der böses dabei denkt.
Aber nein.
Die Bildung einer kriminellen Vereinigung spielt garkeine Rolle mehr. Jetzt ist es §125. Schwerer Landfriedensbruch. Jetzt haben wir die Demonstranten aufgehetzt, Steine auf die Polizisten zu werfen, haben Polizeiautos gerammt und anderes mehr.
Der blaue VW-Bus der JG wurde festgenommen. Sachen beschlagnahmt usw.
Ich kenne noch nicht alle Vorwürfe, die gegen mich und die JG erhoben werden. Aber die Polizei sendet sie über die Presseagenturen in die Welt. Die BILD-Zeitung wird sich freuen, die Nazis wahrscheinlich auch.
Denn wer den Protest gegen Neonazis organisiert, steht fortan in der Gefahr, ein Krimineller und ein Hetzer zu sein. Das zumindest ist eine reale Gefahr dieses sächsischen Sommertheaters.
Dagegen gilt es dringend unseren Protest zu erheben. Deshalb seid ihr – deshalb sind wir – hier zusammengekommen. Es geht nicht mehr um eine einzelne Person. Es geht um das Grundverständnis einer freiheitlichen Gesellschaft, die nicht allein von Nazis sondern von höchstoffiziellen Stellen bedroht ist.
Dagegen richtet sich auch unser Protest, gegen die Diffamierung von Antifas und allen anderen, die sich für solch eine freie und offene Gesellschaft einsetzen.
Danke für eure Geduld.
Und Grüße von der Wanderschaft.
Lothar und Gotthard