Wir haben ein weiteres Zeitdokument ins Internet gestellt. Der Film „Jugendlicher Extremismus mitten in Deutschland – Szenen aus Thüringen“ von Reyk Seela wurde im Jahr 2000 als Lehrfilm für Schulen vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz produziert, bzw. von dessen Tarnunternehmen, der Heron Verlagsgesellschaft.
Der Film zeigt eindrucksvoll, wie der Thüringer Verfassungsschutz versuchte, mittels meinungsbildender Medien an Schulen militante neonazistische Strukturen in Thüringen zu verharmlosen und gewaltbereite linke Jugendliche herbeizuhalluzinieren. Für die gewaltbereiten linken Jugendlichen muss u.a. die JG-Stadtmitte mit Aufnahmen und O-Tönen aus der WERKSTATT herhalten. Gleichzeitig können sich Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes (Tino Brandt und Andre Kapke) unkommentiert als Opfer linker Gewalt darstellen. Mehr dazu findet ihr auch beim Infoladen.
Der Film geht über den Versuch einer Gleichsetzung zwischen „Rechts-“ und „Linksextremismus“ hinaus. Er lässt die gewaltbereite und militante Neonazi-Szene in Thüringen sich selbst als friedlich darstellen, ohne auch nur in irgendeiner Weise die Selbstdarstellungen der Nazis zu kommentieren oder mit Recherchen zu ergänzen. Daneben beschreibt er linke Subkultur bzw. antifaschistisch engagierte Jugendliche mit Bildern aus der JG-Stadtmitte als gewaltbereit. Es geht sogar noch weiter. Der damalige Chef vom Verfassungsschutz, Helmut Roewer, bekommt auch noch Gelegenheit die rechte Szene zu verharmlosen, Strafen in Deutschland für Volksverhetzung in Frage zu stellen, und die angeblich sehr ähnlichen Gruppen der linken und rechten Jugendszenen gleichzusetzen.
An keiner Stelle wird über die Zahlen der Opfer rechter Gewalt berichtet. An keiner Stelle werden Überfälle auf MigrantInnen, Jugendliche, Obdachlose durch Nazis thematisiert. An keiner Stelle wird Bezug auf die Arbeit antifaschistischer Gruppen genommen, deren Recherchen zu Strukturen der Nazi-Szene in Thüringen und Mahnungen jetzt von den Medien praktisch aufgesogen werden.
Das die Schülerschaft letztlich vor dem Film bewahrt werden konnte, geht auf das Engagement verschiedener Gruppen und Einzelpersonen zurück. Ein Riesendankeschön an dieser Stelle an Anetta Kahane von der Amadeo-Antonio-Stiftung, die sich ausdrücklich gegen den Film aussprach:
„Das ist eine derartige Verharmlosung der Anti-Antifa mit ihren militanten Strukturen dass ich das gar nicht fassen kann. Also ich kenne den Andre Kappke als Sprecher des Thüringer Heimatschutzes aus ganz anderen Situationen, wo Leute, die zu Veranstaltungen eingeladen wurden um da zu referieren wie Bernd Wagner massiv angegriffen und bedroht wurden, und da hat er ein ganz anderes Gesicht, ich verstehe nicht wie man ihn hier so etwas sagen lassen kann.“