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Gestern wurde erneut breit aus dem Umfeld der so verharmlosend genannten „Querdenken“-Bewegung nach Jena mobilisiert.

Manchen Medien blieb der Aufmarsch am Paradiesbahnhof, der sich dann auch durch das Stadtgebiet zog, anscheinend verborgen. Währenddessen wurden Journalist*innen körperlich angegriffen.

Es gelang uns nicht, das Auflaufen der Corona-Leugner*innen und -Verharmloser*innen zu verhindern. Deren sogenannter Spaziergang wurde von der Polizei weder verhindert noch gestoppt, sondern nach Berichten aus dem Paradies sogar gegen friedfertige Demonstrierende ermöglicht.

Immerhin gelang es uns größtenteils, den ursprünglich als Ziel angestrebten Marktplatz mit eigenen Inhalten zu besetzen und somit Kante gegen die antisemitische, rassistische, wissenschaftsfeindliche und verschwörungsideologische Melange zu zeigen.

Im Folgenden dokumentieren wir einen der Redebeiträge unserer Kundgebung am Markt.

Auf dem Bild ist der Lauti der JG zu sehen, im Hintergrund ist der geschmückte Weihnachtsbaum auf der Marktplatz.

Und täglich grüßt das Schwurbeltier!

Deshalb stehen wir auch heute wieder hier. Weil es uns reicht. Drei Mal pro Woche versuchen Menschen, Jena in ein Hochrisikogebiet zu verwandeln. Dabei sind die Inzidenzen schon hoch genug. Ohne Masken, ohne Abstände und zum Großteil stolz ungeimpft turnen sie dann durch die Stadt. So weit, so schlimm. Spreader-Events kurz vor Weihnachten sind sowieso schon scheiße genug. Und dass Omikron so langsam die dominante Variante wird, macht das Ganze noch übler.

Aber es geht um mehr als das. Selbst wenn mit funktionierendem Hygienekonzept geschwurbelt würde – auch das könnten wir nicht unwidersprochen lassen.

Das Themenspektrum, das dort abgedeckt wird, ist breit. Da ist für alle was dabei – von überzeugten Nazis bis hin zu sich fälschlicherweise als links bezeichnenden Esos. Und natürlich wollen wir auch die sogenannte Mitte nicht vergessen – auch dort finden sich genug Reaktionäre, die mitlaufen wollen.

Auf den ersten Blick ist das eine überraschende Mischung: Nazis, Bürgis, Pseudo-Linke, die zusammen auf der Straße stehen. Und die es nicht stört oder sogar freut, wenn munter die Shoah relativiert wird.

Ein deutscher Klassiker. Statt sich mit der Schuld der eigenen Nazi-Vorfahren auseinanderzusetzen und sich im Zweifel mal zu überlegen, wie genau Opa 1938 ein Haus kaufen konnte, stilisiert man sich selbst zum Opfer.

Gleichzeitig wird mit jedem Vergleich zur Shoah, der Parallelisierung der eigenen Situation mit der von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus, langsam aber sicher versucht, die Bedeutung dieses unermesslichen deutschen Verbrechens zu minimieren. Anstatt die Unvergleichlichkeit der Shoah anzuerkennen, dient sie nun schlicht als Ausrufezeichen hinter der eigenen Unzufriedenheit. Statt sich der Verantwortung der Geschichte zu stellen, wird sie abgeblockt. Widerwärtiger geht es kaum: Hier werden die Verbrechen der eigenen Vorfahren nun im eigenen Sinn als Metapher instrumentalisiert.

Was bringt diese Leute noch so zusammen? Der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen kann es nicht sein. Wir befinden uns nicht in einer Diktatur. Die Impfstoffe sind erprobt und wirken erwiesenermaßen. Das Tragen von Masken ist physisch ungefährlich. In ländlichen Regionen ist von schnellem Internet immer noch nur zu träumen, 5G bleibt auch mit Impfung ein Wunschtraum.

Das Einzige, was die Aussagen der angeblichen Spaziergänger*innen verbindet, ist, dass sie offensichtlich nicht stimmen, aber geglaubt und verbreitet werden. Und das gelingt immer auf dieselbe Art: Eine sinistre Verschwörung wird gewittert, die falsche Tatsachen vorgaukle. So wandert dann dieser Müll als Verschwörungsmythen in die Köpfe der Leute.

Das ist schon an und für sich ein Problem. Aber leider auch auf einer anderen Ebene. Es bleibt nicht bei Worten. Und so werden diese selbsterklärten Spaziergänge aggressiver, sie wähnen sich ja schließlich im Widerstand. Drohungen und Gewalt gegen Journalist*innen nimmt zu. Menschen, die das Tragen von Masken in Geschäften und Verkehrsmittel einfordern, werden regelmäßig verbal und körperlich angegriffen. Menschen, die Impf- bzw. Teststatus kontrollieren, sind regelmäßig Gewalt und Bedrohung ausgesetzt. In vielen öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine Kontrolle der Gs ohne Begleitschutz gar nicht denkbar. Aller, allerspätestens nach dem Mord in Idar-Oberstein muss klar sein, wohin diese Schwurbelei führt.

Und wir wissen auch, wer besonders gefährdet ist. Wissenschaftler*innen berichten seit fast zwei Jahren von Droh- und Hassnachrichten, Journalist*innen berichten von einer massiven Zunahme dieser. Asiatisch gelesene Menschen werden auf übelste Weise rassistisch angegangen. Und all die Verschwörungserzählungen kennen eine geheime, böse, die Welt kontrollierende Gruppe: Jüdinnen und Juden werden zum Feind erklärt – mal versteckt, aber auch immer öfter ganz offen.

Und das darf nicht sein! Ganz egal, ob die Leute es selbst sagen, nickend danebenstehen oder still daneben weiter mitlaufen – wer bei dieser üblen Mischung nicht einschreitet oder zumindest weggeht, macht bewusst mit.

Uns reicht es damit! Dafür darf kein Platz sein. Unwidersprochen schon gar nicht.

In diesem Sinne: Geht heim, hört mit dem Schwurbeln auf, versucht mal, an eurem Antisemitismus zu arbeiten und lasst euch endlich impfen, verdammt!