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Offener Brief vom 16. August 2011 an den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Herrn Tillich

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

von der sächsischen Staatsregierung wurde ich gebeten, Ihren Brief vom 16. August 2011 zu beantworten. Dies folgt dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewaltenteilung und ich komme komme dem selbstverständlich nach, da Ihre Kritik den justiziellen Bereich betrifft.

Da Sie den Weg eines Offenen Briefes gewählt haben, erlaube ich mir Ihnen in derselben Weise zu antworten.

In Ihrem Schreiben werfen Sie die Frage auf, welche Intention die Staatsanwaltschaft Dresden mit der Durchsuchung am 10. August 2011 in Jena verfolgt hat. Die darin anklingende Unterstellung, dem pflichtgemäßen Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft lägen unsachliche Motive oder Einflussmassnahmen zugrunde, weise ich entschieden zurück. Gesetzliche Aufgabe gemäß §152 Abs. 2 StPO und einzige Intention der Staatsanwaltsschaft Dresden war und ist es bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Straftat die gebotenen Ermittlungen durchzuführen und jedem Verdacht ungeachtet der Person nachzugehen.

Ihnen sind die Vorfälle am 19. Februar 2011 in Dresden bekannt. Dass diese Anhaltspunkte für Straftaten darstellen, kann sicherlich nicht in Zweifel gezogen werden. Da es sich bei der von Ihnen konkret angesprochenen Hausdurchsuchung um eine Maßnahmen in einem laufenden Verfahren handelt, kann ich auf dessen Umstände nicht genauer eingehen. Ich weise freilich darauf hin, dass für diese Maßnahme ein Beschluss des zuständigen Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Dresden vom 8. August 2011 vorliegt, in dem die Durchsuchung angeordnet worden ist.

In Ihrem Schreiben heben Sie das notwendige Engagement gegen Rechtsextremismus hervor. Ich pflichte Ihnen bei, nach meiner Ansicht ist jede Form von Extremismus mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen. Zu den demokratischen Mitteln gehört auch das Vorgehen der Polizei- und Justizbehörden gegen jedweden Extremismus, wenn dessen Vertreter die Grenzen von Recht und Gesetz überschreiten. Diese Grenzen haben aber auch die Gegner von Extremisten zu respektieren. Die Staatsanwaltschaften haben unter Zugrundelegung objektiver Kriterien ohne Ansehung der Person und ihrer etwaigen politischen Ausrichtung vorzugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn öffentliche Meinungskundgaben von Extremisten grundgesetzlich geschützt sind. Am 19. Februar 2011 waren die angemeldeten Demonstrationen aus dem rechten politischen Spektrum letztlich sogar vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht für zulässig erachtet worden und konnten nicht verboten werden. Damit genossen die Teilnehmer den Schutz des Artikels 8 Grundgesetz. Der Rechtsstaat muss auch die Ausübung des Versammlungsrechts durch Extremisten hinnehmen und diese letztlich notfalls durch die Polizei schützen. Gegendemonstranten müssen dies hinnehmen und ihrerseits Recht und Gesetz beachten.

Unter umgekehrten Vorzeichen der politischen Konstellation wird der Schutz vor Störungen einer Demonstration zu Recht gleichermaßen eingefordert und selbstverständlich auch gewährt werden. Gerade durch die gebotene Neutralität und Unvoreingenommenheit der Strafverfolgungsbehörden wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung und letztlich in die Demokratie gestärkt.

Soweit Sie Informationsdefizite bei den thüringischen Behörden über die Durchsuchung in Jena befürchten, sind diese nicht gerechtfertigt. Entgegen anders lautender Meldungen wurden die thüringischen Behörden über die beabsichtigte Ermittlungsmaßnahme rechtzeitig entsprechend der üblichen Vorgehensweise informiert und zwar sowohl auf polizeilicher als auch auf staatsanwaltschaftlicher Ebene.

Ihre Sorge, dass nach den in Dresden erfolgten Funkzellenabfragen Sie sich nun bei jedem Handygespräch überlegen müssen, was Sie sagen möchten und was nicht, verstehe ich dahingehend, dass Sie fürchten Telefonate seien dabei inhaltlich abgehört worden. Gerade dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist es so, dass bei der Funkzellenabfrage nur festgestellt wird, ob innerhalb eine Funkzelle ein Handy betrieben wird, keinesfalls werden Gesprächsinhalt u.a. mitgehört oder mitgelesen (SMS). Nicht zutreffend ist auch, dass die Funkzellenabfrage im Zuge friedlicher Protestaktionen gegen Neonazis erfolgte. Die Funkzellenabfrage erfolgte im Gegenteil nur für Bereiche, in denen es zu Auseinandersetzungen im Ausmaß eines Landfriedensbruchs kam und auch nur für die Zeiträume, in denen diese Delikte andauerten.

Abschließend weise ich darauf hin, dass das Zitat des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Dresden aus dem Artikel der taz vom 11. August 2011 stark verkürzt und damit sinnentstellt wiedergegeben wird. Herr Staatsanwalt Hille hat sich gegenüber der taz wie folgt geäußert: „Das, was sich im Moment einige Politiker und interessierte Medien an Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft Dresden erlauben, kannte ich bisher nur aus der rechtsextremen Ecke oder von Querulanten.“ Herr Staatsanwalt Hille hat sich damit gegen die Art und Weise gewandt, mit der in einer bislang nicht bekannten Intensität versucht wird, Einfluss auf das Ermittlungsverfahren zu nehmen und gegen die Strafverfolgungsbehörden Stimmung zu machen. Die Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen werden sich hiervon nicht beeindrucken lassen und weiterhin entschlossen Straftaten rechter wie auch linker Gewalttäter verfolgen.

Mit freundlichen Grüßen,

Fleischmann

Generalstaatswanwalt Sachsen

(Fehler im Original)