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Am 27. Januar haben wir dem 79. Befreiungstag von Auschwitz/Birkenau gedacht. Wir haben unser Gedenken mit neuen musikalischen Einlagen unterlegt und haben Zeitzeugenberichte zu Wort kommen lassen. Für all jene die an diesem Tag keine Zeit hatten bei uns vorbeizukommen wollen wir diese Zeitzeugenberichte hier nochmal hochladen. Wir finden, dass es wichtig ist, diesen Tag niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. Denn wenn wir vergessen, kann es wieder passieren!

Kein Vergeben, kein Vergessen!

  1. Zeitzeugenbericht von Heinz Kounio

„Die Tür des Wagens ging auf und ich sah diese hohen Schlote der Krematorien. Manchmal schlugen die Flammen meterhoch aus den Schornsteinen. Man sah keine Sterne, weil der Rauch den Himmel dunkel machte. Für mich waren das die Seelen der ermordeten Menschen. Zwei- bis dreitausend Menschen pro Nacht gingen durch die Schornsteine. Diese hohen Schornsteine haben uns das Herz gebrochen.“

2. Zeitzeugenbericht von Primo Levi

„Nun bin ich also in der Tiefe. Vergangenheit und Zukunft ausgelöscht lernt man rasch, wenn die Not drängt. Vierzehn Tage nach meiner Einlieferung habe ich schon den regelrechten Hunger, den Chronischen Hunger, den die freien Menschen nicht kennen, der Nachts Träume hervorruft und der in allen Gliedern unseres Körper ruht. Schon habe ich gelernt, mich nicht bestehlen zu lassen, und sehe ich einen Löffel, einen Bindfaden, einen Knopf herumliegen, den ich ungestraft einstecken kann, so stecke ich ihn ein und betrachte ihn mit vollem Recht als mein Eigentum. Schon habe ich auf meinen Fußrücken die stumpfen wunden, die nicht heilen werden. Ich schiebe Waggons, ich arbeite mit der Schaufel, ich ermatte im Regen, ich zittere im Wind. Schon ist mein eigener Körper nicht mehr mein: der Bauch ist gedunsen, die Glieder sind verdorrt, das Gesicht ist am morgen Verschwollen und am Abend ausgehöhlt.“

3. Zeitzeugenbericht von Thomasz Pilecki

„Die Bestialität der Deutschen Folterknechte […] zeigte sich hier und dort in den Unterschiedlichsten Varianten. In der Strafkompanie vergnügten sich die Henkersknechte damit, die Hoden – vorallem von Juden – mit einem Holzhammer auf einem Holzstumpf zu zerschlagen. Im Industriehof 2 war ein SS-Mann der Perelka (Kleine Perle) genannt wurde: er richtete seinen Hund – einen Wolfshund – darauf ab Leute anzufallen und verwendete dazu Menschenmaterial, das hier wertlos war. Der Wolf stürzte sich auf die hier während der Arbeit vorbeieilenden Häftlinge, brachte die Geschwächten Opfer zu Fall, verbiss sich in ihre Körper, riss mit den Zähnen daran, zerrte an den Genitalien und würgte an der Kehle.“

4. Zeitzeugenbericht von Thomasz Pilecki

„Am 18 Januar 1942 wurden über Nacht in die Dunkelkammer des Bunkers 45 Häftlinge auf einmal eingesperrt, da es keinen Platz in den Überfüllten Bunkern gab. Eine Weile danach, noch am Abend, waren im Keller des Blocks 11 starke Schläge gegen eine Tür zu hören ein Rufen nach dem Diensthabenden SS-Mann die Tür zu öffnen. Diese Häftlinge waren daran zu ersticken, da sie keine Luft bekamen und Kämpften mit ihren Zähnen, Fäusten und Füßen für einen Zugang zur Tür durch deren Ritzen ein wenig Luft hereinkam. Nach dieser Nacht waren von den 45 eingeschlossenen 21 nurnoch Leichen – sie waren erstickt oder wurden im Kampf getötet. Die 24 übrig Gebliebenen konnten sich kaum auf den Beinen halten – neun wurden Sterbend in das Krankenhaus gebracht, 15 kamen in die Strafkompanie, weil sie sich nicht bequemt hatten in der Dunkelkammer zu sterben. Unter ihnen war auch Konrad, unser Ehemaliger Oberkapo der Tischlerei. Kapo Jonny Lechenich war die ganze Nacht zeuge dieses Grässlichen Vorgangs – er verbüßte Zeit zu der Zeit eine Strafe in der Stehzelle, weil er mit den Polen Machenschaften hatte, wie es die Lagerleitung nannte.“

5. Zeitzeugenbericht von Thomasz Pilecki

„Als wir zum Tor kamen, sahen wir eine andere kleine Gruppe, die an der Mauer mit erhobenen Händen stand, und den vorbeigehenden Kolonnen den Rücken zuwendete. Vor dem Tod erwartete sie eine Untersuchung, und sie würden noch im Block 11 gequält werden, bis ihnen der Henker Palitzsch gnädigerweise in den Hinterkopf schoss. Danach würde man ihre blutigen Leichen auf Wagen ins Krematorium fahren.

Als wir das Tor betraten, war die erste kleine Gruppe schon ins Krematorium getrieben worden. Für ein Dutzend Personen war manchmal eine Dose Gas zu schade, sie wurden mit Gewehrkolben betäubt und halb bewusstlos auf den glühenden Rost geworfen.

Von unserem Block 22 aus, der dem Krematorium am nächsten stand, hörten wir oft, dank der Wände etwas abgeschwächt, die entsetzlichen Schreie und das Stöhnen der misshandelten und brutal ermordeten Opfer.

Nicht alle kamen auf unserem Weg von der Arbeit zurück. Jene, die einen anderen Weg gingen und die Gesichter der Opfer nicht sahen, konnten sich nie eines Gedanken entledigen: vielleicht sind die Mutter, der Vater, die Frau, die Tochter darunter… Aber das Herz eines Lagerinsassen ist hart.“